Der Dammschnitt ist eine medizinische Intervention während des Geburtsvorganges, wobei der Genitalbereich der Frau mit einer speziellen Dammschnittschere ohne Betäubung aufgeschnitten wird. Meist wird auf eine Presswehe gewartet. Oft ist das Ansetzen der Schere und das Schneiden spürbar, schmerzhaft und irritierend. Es ist mit einem erhöhten Blutaufkommen und Blutverlust zu rechnen. Die Begründungen für einen Dammschnitt sind vielfältig, die Notwendigkeit aber gering. Ein präventiver Dammschnitt, um einem Dammriss vorzubeugen, ist heutzutage in Fachkreisen umstritten und von den schwangeren Frauen definitiv nicht mehr gewünscht. Routinemäßige Dammschnitte sind nicht mehr zeitgemäß und entbehren jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Wir fordern Hebammen und ÄrztInnen auf, nach der evidenz-basierten Medizin zu arbeiten!
Wie kann ich mich gegen einen Dammschnitt aussprechen?
Halten Sie schriftlich Ihre Wünsche (kein Dammschnitt, was kann ich noch ablehnen?) für die Geburt fest und besprechen Sie diese mit den Geburtshelfern (Arzt, Hebamme) bei der Anmeldung im Spital. Die Geburtshelfer werden Ihren (Patienten)brief in Ihren Patientenakt legen. Wenn Sie zur Geburt ins Spital kommen, werden Hebamme und Arzt hoffentlich Ihre Wünsche im Hinterkopf haben! Zögern Sie nicht, unaufgefordert Ihre Vorstellungen und Bedürfnisse zu äußern. Je besser Sie sich selbst im klaren sind, was Sie wollen, und dies auch klar aussprechen, desto eher kann das Krankenhauspersonal auf Sie eingehen. Achtung: bei Dienstwechsel von Arzt oder Hebamme ist es ratsam, sich nochmals neu abzusprechen! Was tun, wenn ich keinen Dienstwechsel will? » Meine eigene Hebamme mitnehmen!
Dammschnitte werden bei Wassergeburten oder Geburten in der Hocke oder im Vierfüßlerstand weniger oft durchgeführt, weil Arzt oder Hebamme mit der Dammschnittschere nicht so gut hinkommt. Achten Sie darauf, in welche Geburtspostition Sie sich begeben oder drängen lassen. Die Rückenlage ist weder fürs Kinderkriegen noch für einen unversehrten Damm vorteilhaft. Die Frau in Rückenlage ist vorallem für Geburtshelfer eine ideale Position.
Die sinkende Zahl der Dammschnitte in den industrialisieren Ländern ist unter anderem durch die steigende Zahl der Kaiserschnitte zu erklären.
Bei Krankenhausentbindungen ist je nach Spital mit einer Dammschnittrate von bis zu 40 % oder mehr zu rechnen (vor 15 Jahren waren es noch 80%). Im Bereich der Hausgeburtshilfe mit freipraktizierenden Hebammen sind Dammschnittraten von maximal 1 bis 5 % dokumentiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält eine maximal 5-10%ige Dammschnittrate als rechtfertigbar, wobei die Empfehlung ist, dass die Klinik bestrebt sein sollte, diese Rate weiter zu senken.
Achtung: Sie werden nicht gefragt, ob Sie einen Dammschnitt wollen oder nicht! Er wird einfach gemacht. Deshalb sagen Sie den Geburtshelfern im vorhinein, dass Sie keinen Dammschnitt wollen!
Es gibt drei verschiedene Arten des Dammschnitts:
- Beim medianen Dammschnitt wird entlang der Mittellinie in Richtung After geschnitten. Es handelt sich um einen kurzen Schnitt, der jedoch bis zum Schließmuskel des Afters weiter einreißen kann.
- Beim mediolateralen Dammschnitt wird vom Mittelpunkt ausgehend im 45° Winkel geschnitten. Es ist ein längerer Schnitt möglich, der dem Baby beim Durchtritt mehr Raum verschafft.
- Der laterale Dammschnitt wird im 45° Winkel 2 cm seitlich versetzt vorgenommen. Dieser Schnitt verheilt im Vergleich zu den anderen Varianten schlechter und ist daher unüblicher.
Viele Geburtshelfer sind aufgrund jahrelanger Erfahrung zu dem Schluss gekommen, dass es oft besser ist, den Damm auf natürliche Weise einreissen zu lassen, anstatt zu schneiden. Die Wundheilung ist bei einem Dammriss viel besser (und nicht bei einem „glatten, sauberen Schnitt, den man gut vernähen kann“)
Viele Dammrisse werden gar nicht genäht, sondern verheilen oft von selbst. Mit etwas Pflege (Eichenrinden, Beinwell, Calendula-Sitzbäder, trocken halten, nicht oder wenig eincremen, viel liegen, ausruhen, schlafen, wenig Aktivität) kann die Heilung unterstützt werden. Eine Softlaser-Behandlung bei Ihrer Hebamme oder in manchen Geburtskliniken (z.B. St. Josef Geburtsklinik in Wien nimmt auch Frauen, die nicht dort entbunden haben) hilft, dass die Dammschnitt- oder Dammrisswunde, sowie wunde Brustwarzen schneller und besser abheilen.
Dammschnitte müssen immer genäht werden und verursachen mehr und länger andauernde Schmerzen beim Sitzen, Stehen, Tragen, Bewegen. Auch Monate und Jahre später spüren Frauen den Dammschnitt beim Sport, beim Schwitzen, beim Tragen des Kindes oder schweren Dingen, bei Wetterfühligkeit, bei Hitze, beim Sex. Der neueste, schreckliche medizinische Trend ist der Husband´s Stitch, wo der Damm ohne Kenntnis der Frau mehr zugenäht wird als er von Natur aus war, damit die Vagina der Frau enger wird und der Mann mehr Lust beim Sex empfindet!
Die psychischen Folgen eines Dammschnitts sind unter anderem das Gefühl, übergangen oder überrumpelt worden zu sein. Ebenso berichten Frauen über das Gefühl, vergewaltigt worden zu sein, im Sinne von Gewalt erlitten zu haben oder auch einer Macht ausgeliefert und dabei verletzt worden zu sein. Ein seelischer Einschnitt, der schwer zu ertragen, zu verkraften und anzunehmen war. Das Gefühl des Versagens, der Enttäuschung, der Scham, der Traurigkeit über den Verlust der genitalen Unversehrtheit. Und immer wieder die Frage nach dem Warum.
Die Narbe eines Dammschnittes oder Dammrisses kann bei einer nächsten Geburt wieder aufgehen, muss aber nicht. Vor allem bei der Verabreichung von wehenverstärkenden Mitteln und den dadurch heftigen Wehen besteht das Risiko, dass das Gewebe der Narbe bei einer darauffolgenden Geburt nachgibt. Beim Kaiserschnitt tritt die selbe Narben-Problematik auf. Somit ist es wichtig, bei einer gewünschten vaginalen Geburt nach vorangegangenem Kaiserschnitt die natürlichen Wehen zu nutzen.
Dammschutz
Der manuelle Dammschutz, der von vielen Hebammen praktiziert wird und an den Hebammenschulen noch gelehrt wird, hat sich als kontraproduktiv herausgestellt. Vielmehr ist es sinnvoll, keine Manipulation am Damm vorzunehmen und das Gewebe unter Hormoneinfluß beim Geburtsvorgang selbst dehnen zu lassen. Die Zellen des Dammgewebes können sich um ein Vielfaches vergrößern, um sich danach wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzubilden.
Echte Gründe für einen Dammschnitt
- Ein stark vernarbter Damm könnte sich vielleicht nicht so leicht dehnen und muss nach Rücksprache mit einer erfahrenen Hebamme oder Geburtshelfer im Einzelfall eventuell geschnitten werden. Bei genitalverstümmelten Frauen kommt es durch die rituelle Beschneidung oft zu starken Vernarbungen. Bei der Geburt treten dadurch häufiger Probleme mit der Dehnung des Gewebes auf.
- Bei einer Saugglockengeburt oder Zangengeburt wird möglicherweise ein Dammschnitt gemacht, da die verwendeten Werkzeuge mehr Platz brauchen.
Schlechte Gründe für einen Dammschnitt
- Das Kind sei zu groß.
- Das Baby komme zu schnell, da wird alles reissen.
- Die Geburt gehe zu langsam voran, der Dammschnitt würde es beschleunigen.
- Wir machen immer einen Dammschnitt. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.
- Dammschnitt muss man machen, sonst dehnt sich das Gewebe nicht.
- Dammschnitt lernt man in der Hebammenschule, und so muss ich es auch machen.
- Wir (Hebammenschülerinnen und JungärztInnen) müssen üben, daher werden wir einen Dammschnitt machen.
- Wir (Lehrhebammen, OberärztInnen, Uni-Klinik,…) haben einen Lehrauftrag und zeigen heute einen Dammschnitt.
- Ein Dammschnitt sei besser und verheile besser als ein Dammriss.